RadMarkt.de, 11.12.2023
Lesedauer 4:45 Minuten

Zedler-Check: digitale Pedelec-/E-Bike-Betriebsanleitungen ja/nein?

Die Frage, ob die Betriebsanleitungen von Pedelecs, E‐MTBs und E‐Cargo‐Bikes gedruckt oder digital bereitgestellt werden dürfen, wird in der Fahrradbranche schon länger unterschiedlich beantwortet. Mit dem Erscheinen der neuen Maschinen‐Verordnung hat die Diskussion wieder Fahrt aufgenommen. Das Zedler‐Institut hat deshalb einen eingehenden Fakten-Check durchgezogen.

Gedruckte Pedelec-/E-Bikes-Betriebsanleitungen ja, digitale nein? Das Zedler‐Institut versucht, mit einem Fakten-Check Licht ins Dunkel zu bringen.
Dazu wurden die Original‐Texte aus der neuen Verordnung, die anzuwendende Norm, die Positionierung der Gesellschaft für Technische Kommunikation – tekom Deutschland e.V. und die gelebte Praxis zusammengetragen.
 
Die neue Maschinen-Verordnung
Die neue Maschinen‐Verordnung stellt im Kapitel II, Pflichten der Wirtschaftsakteure, Artikel 10 (7) und (8) klar:
(7) Die Hersteller gewährleisten, dass der Maschine oder dem dazugehörigen Produkt die Betriebsanleitung und die Informationen nach Anhang III beigefügt sind. Die Betriebsanleitung kann in digitaler Form bereitgestellt werden. In der Betriebsanleitung und den Informationen ist das Produktmodell, dem sie entsprechen, klar zu beschreiben. (…) Bei Maschinen bzw. dazugehörigen Produkten, die für nichtprofessionelle Nutzer bestimmt sind oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Umständen von nichtprofessionellen Nutzern verwendet werden können, auch wenn sie nicht für sie bestimmt sind, muss der Hersteller die Sicherheitsinformationen, die für die sichere Inbetriebnahme der Maschine bzw. des zugehörigen Produkts und für deren bzw. dessen sichere Verwendung wesentlich sind, in Papierform bereitstellen. (…)
(8) Die Hersteller gewährleisten, dass der Maschine bzw. dem dazugehörigen Produkt die EU‐ Konformitätserklärung nach Anhang V Teil A beiliegt, oder die Hersteller geben alternativ in der Betriebsanleitung und den Hinweisen nach Anhang III Abschnitt 1.7 die Internetadresse oder den maschinenlesbaren Code an, unter der bzw. dem auf diese EU‐Konformitätserklärung zugegriffen werden kann.
Digitale EU‐Konformitätserklärungen sind für die erwartete Lebensdauer der Maschine bzw. des dazugehörigen Produkts und in jedem Fall für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren nach dem Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme der Maschine bzw. des dazugehörigen Produkts online zur Verfügung zu stellen.
 
EPAC‐Norm DIN EN 15194:2018‐11
Laut Zedler-Institut schreibt die aktuell geltende Pedelec-/EPAC‐Norm für elektromotorisch unterstützte Fahrräder schon seit längerem eindeutig die Papierform fest. Zudem ist darin der zu liefernde Umfang der Sicherheitsinformationen recht eindeutig beschrieben:
6 Gebrauchsanleitung
Jedes EPAC muss mit Anweisungen in der Sprache des Landes, in das das EPAC geliefert werden soll, ausgestaltet sein. In den verschiedenen Ländern können örtliche Anforderungen hinsichtlich dieser Art der Informationen gelten (siehe EN 82079‐1). Die Gebrauchsanleitung muss unbedingt in Papierform bereitgestellt werden. Für ausführlichere Informationen und für deren Zugang durch schutzbedürftige Personen sollte die Gebrauchsanleitung zusätzlich auf Anfrage in elektronischer Form vorliegen.
 
…und das sagt tekom
Rechtsanwalt Jens‐Uwe Heuer‐James äußert sich in Ausgabe 05 (September/Oktober 2023) der Fachzeitschrift »technische Kommunikation« der Gesellschaft für Technische Kommunikation – tekom Deutschland e.V. in seinem Artikel »Die EU sorgt für Spannung« ebenfalls zur Form der Betriebsanleitung: »Digitalisierung ist umstritten.«
Fazit: Die Lobby‐Arbeit der tekom hat sich bezahlt gemacht – das Werben für den Einstieg in die digitale Nutzerinformation ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Mit der Maschinen‐Verordnung ist nun die »digitale Betriebsanleitung« möglich.
Aber aufgepasst – in der umfassenden Diskussion dieses Ansatzes hat sich gezeigt, dass die Digitalisierung nicht überall akzeptiert wird. Bei den Beratungen kritisierten insbesondere die Verbraucherverbände den Ansatz. Die Kritik der Verbände wurde respektiert. Für Verbraucherprodukte gilt die Digitalisierung der Nutzungsinformation im Sinn eines Ersatzes der Papierdokumentation nicht. Es ist lediglich möglich, Verbrauchern zusätzlich das Angebot digitaler Nutzerinformationen zu machen.
Im B2B‐Bereich sind für die digitale Bedienungsanleitung verschiedene Anforderungen formuliert. Die sind allesamt zu beachten und zu erfüllen. Zunächst ist es die Pflicht des Herstellers, den Zugang zur digitalen Nutzerinformation zu ermöglichen. Dem Wortlaut nach bedeutet das nicht zwangsläufig, Informationen über das Internet bereitzustellen. Allerdings gehen die Verfasser der Maschinen‐ Verordnung davon aus, dass dies wohl die präferierte Vorgehensweise sein wird. Genauere Details etwa für Hinweise, wie der Zugang aussehen soll, fehlen derzeit noch. Es dürfte allerdings so sein, dass ein möglichst einfacher Zugang gefordert wird.
 
Anforderungen an die Bereitstellung
Somit gilt weiterhin Sorge zu tragen, dass die Zugangsmöglichkeit für die Lebensdauer der Maschine vorhanden sein muss (mindestens zehn Jahre). Der Einsatz einer stabilen, zukunftssicheren Technik ist gefordert. Gleichfalls verbieten sich spontane Umzüge von Internetseiten, ohne dass nicht die Weiterleitung des bestehenden Zugriffs sichergestellt ist. Zu beachten bleibt auch, dass in Bezug auf die digitalisierte Anleitung das Erfordernis der Verständlichkeit besteht. Hier bleibt in Zukunft zu klären, wie dies im Einzelnen aussieht. Eine auf das digitale Medium ausgerichtete Technische Redaktion ist in jedem Fall erforderlich. Einfach große Textmengen als pdf bereitzustellen dürfte nicht der erforderlichen Verständlichkeit entsprechen.
Eine wichtige Voraussetzung ist es auch, dass die digitale Information vom Nutzer abgespeichert und ausgedruckt werden kann. Dies soll auch für alle Informationen gelten, die als Hilfe in der Software der Maschine bereitgestellt werden (Stichwort »Online‐Hilfe«). Dabei dürfte es nicht genügen, lediglich Screenshots zu verwenden; eine gewisse inhaltliche Aufarbeitung wird erwartet. Genaue Kriterien hierzu gibt es allerdings derzeit nicht.
 
…und in der Praxis?
Zusammenfassend lässt sich laut Zedler-Institut aus den anzuwendenden Verordnungen und Normen der einfache Merksatz ableiten: B2B rein digital ja, B2C rein digital nein.
Der Komponentenhersteller darf beim Verkauf von Bauteilen an den Fahrradhersteller digital Komponentenanleitungen bereitstellen. Der Fahrradhersteller bzw. dessen Handelspartner muss jedoch die normkonforme Betriebsanleitung für komplexe und fahrbereite Pedelecs beim Verkauf an den Endverbraucher in Papierform aushändigen.
Darüber hinaus ist er für ein Gewerbeaufsichtsamt bzw. die Marktaufsichtsbehörde zu 100 Prozent ohne Anfangsverdacht, wenn er die Anleitung für das Fahrrad/Pedelec in der jeweiligen Landessprache gedruckt beilegt. Durchgesetzt haben sich in der Praxis auch Hybridkonzepte mit einer gedruckten, kurzen Betriebsanleitung in mehreren Sprachen, die per Weblink oder QR‐Code auf umfangreiche Vollanleitungen – spezifisch nach Pedelec‐/E‐Bike‐Kategorie – verweisen. Auch Anleitungen der Antriebs‐ und Komponentenzulieferer wurden im Bereich »Technischer Support« verortet. Beide Konzepte sind in vielen Ländern der Europäischen Union, aber auch in UK und der Schweiz ohne Schwierigkeiten von den Marktaufsehern und Unfallverhütungs-Ämtern akzeptiert worden.
 
Text: Jo Beckendorff/Zedler-Institut
Foto: Zedler-Institut